Lasst uns digitalisieren

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„Digitale Transformation“, „Disruption“, „Change“, „Big Data“, „New Work“, „Agilität“ – um einmal im Werberdeutsch zu sprechen: Besonders „sexy“ klingen diese Begriffe nicht gerade. Ganz im Gegenteil: Ist man wirklich scharf auf eine Disruption in seinem Arbeitsalltag? Möchte man gerne nachhaltig in seinem bewährten Tun gestört werden? Kein Wunder vielleicht, dass deutsche KMU die Digitalisierung zwar überwiegend positiv bewerten, aber 84 Prozent der Befragten in einer gemeinsam von Tata Consultancy Services und der Bitcom-Research im Jahr 2017 durchgeführten Trendstudie die Auskunft gaben, dass dieser Prozess in ihren Augen noch längst nicht abgeschlossen ist. Einen Digitalisierungsindex in deutschen Industrieunternehmen von immerhin 58 Prozent ermittelte die von techconsult im Auftrag der Deutschen Telekom durchgeführte Studie (2017). Digitalisierung in KMU macht man also. Weil man muss? Weil man Angst hat, ansonsten seine Wettbewerbsfähigkeit einzubüßen? Oder doch eher, weil man sie als eigenes Projekt mit einer Fülle neuer Möglichkeiten sieht?

Horizont erweiternd

In den vergangenen Wochen und Monaten durfte ich für ein Consultingunternehmen im Vorfeld einer Projektmanagement-Tagung mit den Referenten verschiedene Interviews zu den Themen „Agilität“ und „Change“ führen. Eins möchte ich vorwegnehmen: Selten hat mir eine Interviewreihe solch einen Spaß bereitet. Und das nicht etwa, weil meine Interviewpartner und -partnerinnen nicht mit dem nötigen Ernst bei der Sache gewesen wären – ganz im Gegenteil – , sondern weil sie einen Enthusiasmus und eine neue Sichtweise vermitteln haben, die mich regelrecht mitgerissen haben. Ja, Digitalisierung bedeutet Veränderung, sie wirkt sich auf Geschäftsfelder, Produkte und ganze Organisationen aus. Aber nach den geführten Gesprächen sehe ich darin mehr Positives als Negatives. Denn: Digitalisierung beeinflusst auch unsere Art des Arbeitens, ja, sogar unsere Art des Denkens, unsere Kreativität und letzten Endes unseren Spaß am Arbeiten.

Verändertes Denken

Obwohl ich schon so viele Jahre selbstständig arbeite, hat es auch Zeiten von Festanstellungen gegeben. Wie sehr hätte ich mir damals gewünscht – obwohl mir zu jener Zeit Begriff der Begriff gar nicht geläufig war –, agiler zu arbeiten. Vorschläge zu machen, die gehört und wertgeschätzt werden, eigene Ideen zu entwickeln, sich von überflüssigen und ineffektiven Prozessen zu trennen. Schlagkräftiger, kreativer zu werden, alternative Arbeitsplatz- und Arbeitszeitenmodelle zuzulassen. Autonomer zu arbeiten, neue Formen der Kommunikation auszuprobieren, die Kraft des Teams zu spüren und auch Fehler zuzulassen. Mit dieser Haltung stehe ich sicherlich nicht alleine da. Was also, wenn Digitalisierung nicht nur Bestehendes in Frage stellt, sondern auch ein angenehmeres und sinnstiftenderes Arbeiten ermöglicht? Müssen wir uns dann von ebenso sperrigen wie schwammigen Begriffen wie „Transformation“ oder „New Work“ verunsichern lassen?

Pläne sind gut, Intuition manchmal besser

Das im Jahr 2001 formulierte agile Manifest, der kleinste gemeinsame Nenner agiler Arbeitsweisen, definiert kurz und knapp deren Grundsätze. Darin heißt es u.a.:

“Responding to change over following a plan.”

Die Idee, dass schnelle, möglicherweise intuitive Entscheidungen in Transformationsprozessen traditionellen, langwierigen Planerstellungen überlegen sein können, finde ich persönlich faszinierend und beruhigend. Zugegeben: Es erfordert ein wenig Mut und Selbstvertrauen, seiner eigene Lösungskompetenz zu vertrauen, wach zu bleiben und flexibel mit neuen Herausforderungen umzugehen. Das dazu notwendige Wissen aber steckt bereits in uns, wir müssen es nur aktivieren – auch das habe ich in einem der zahlreichen Interviews gelernt. Ein harter Schlag kann zwar einem Stein erheblichen Schaden zufügen, ein Bambus aber federt nach solcher Einwirkung elastisch in seine Ausgangsposition zurück. Diese Fähigkeit wird übrigens als “Resilienz” bezeichnet, wozu es bald einen gesonderten Beitrag gibt.

Bildnachweis: Das Titelbild dieses Beitrags verwendet eine Fotografie von Adobe Stock und eine Illustration von Creative Market.